Auswirklungen der Inflation auf Alleinerziehende

Jedes zweite von Armut betroffene Kind in Armut wächst im Haushalt einer Alleinerziehenden auf. Die 332 000 Alleinerziehenden in Baden-Württemberg mit ihrer hohen Armutsbetroffenheit (46%) leiden unter dieser aktuellen Entwicklung. Sie haben bereits vor der Inflation ihre Belastungsgrenze erreicht oder überschritten. Für sie macht jeder Euro mehr oder weniger einen Unterschied.

Die angekündigte Kindergelderhöhung im 3. Entlastungspaket kommt bei den Alleinerziehenden nicht an. Denn diese wird sowohl mit den Leistungen des SGB-II als auch mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet und erreicht somit viele armutsgefährdete Kinder nicht. Bei Kindern, die Unterhalt erhalten, wird das halbe Kindergeld mit dem Kindesunterhalt verrechnet. So erhalten viele Alleinerziehende nicht 18 Euro mehr Kindergeld, sondern 9 oder nur 0 Euro. Dabei treffen Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart.

Von der Energiepreispauschale profitieren vor allem Erwerbstätige. Deshalb stehen Paare mit zwei Kindern, in denen beide Eltern arbeiten gehen besser da als Alleinerziehende oder eine Familie, in der nur eine Person berufstätig ist. Insgesamt stellt sich die Frage, inwieweit eine einmalige Unterstützung geeignet ist, eine dauerhafte Belastung durch Preissteigerungen und Geldentwertung aufzufangen. Es braucht in der Krise sowohl kurz- und mittelfristige Hilfen, als auch eine langfristige Perspektive und nicht nur Einmalzahlungen wie einen Kinderbonus, der zudem hälftig dem unterhaltszahlenden Elternteil zu Gute kommt.

Kurzfristige Maßnahmen

Um gezielt Familien mit kleinen Einkommen zu unterstützen, sollte der Sofortzuschlag für Kinder mindestens 78 Euro plus Inflationsausgleich statt 20 Euro betragen. Da dieser an den Bezug von Sozialleistungen geknüpft ist, würde das passgenau Familien mit kleinen Einkommen unterstützen und somit viele Alleinerziehende. Ebenso notwendig wäre eine Erhöhung der Einkommensgrenze für den Bezug des Wohngeldes, sowie die Höhe des Wohngeldes selbst entsprechend den Preisentwicklungen zu erhöhen. Außerdem sollte der Freibetrag für Alleinerziehende beim Wohngeld realitätsgerecht erhöht werden. In der Grundsicherung und bei Wohngeldempfängern sollten tatsächlich entstandene Energiekosten (inklusive Stromkosten) komplett übernommen werden. Darüber hinaus müssen Wohnungsnotfälle wegen ausstehender bzw. nicht fristgerechter Zahlungen für Wohn- und Nebenkosten vermieden werden: Strom- und Gassperren sollten verhindert und Mieterhöhungen stärker reglementiert werden. Dann wäre zumindest ein zeitweiliges Kündigungsmoratorium sinnvoll. Durch einen Energiepreisdeckel könnte verhindert werden, dass die Kosten für einen Grundbedarf für Strom und Gas ins Unermessliche steigen. Wirtschafts- und klimapolitisch erscheint es weiterhin sinnvoll die Verringerung des Energieverbrauchs in den Vordergrund zu rücken. Damit ist das 9-Euro-Ticket, bzw. ein günstiges Nachfolgeticket nicht nur geeignet, die gestiegenen Energie- und Kraftstoffpreise zu kompensieren, sondern leistet zudem einen wichtigen Beitrag für mehr Mobilitätsgerechtigkeit für einkommensschwache Haushalte. Um insbesondere Familien zu entlasten, wäre darüber hinaus die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder eine zielgenaue Maßnahme.

Notfallfond

Für Betroffene, die mit den genannten Unterstützungsmaßnahmen nicht erreicht werden können, sollte ein landesweiter Notfallfond eingerichtet werden.

Grundsätzliche Maßnahmen

Insgesamt ist jedoch ein umfassender Politikansatz notwendig, um von vornherein das Armutsrisiko von Alleinerziehenden und ihren Kindern zu senken. Alleinerziehen bedeutet, die Hauptverantwortung für ein oder mehrere Kinder im Haushalt zu tragen. Das umfasst sowohl die Verantwortung für die unbezahlte Fürsorgearbeit im Alltag als auch häufig die alleinige Verantwortung für die finanzielle Absicherung der Familie. Um das zu meistern, brauchen sie unterstützende gesellschaftliche Rahmenbedingungen:

  • Eine Arbeit, von der sie leben können
  • eine gute Kinderbetreuung, die zu ihren Arbeitszeiten passt bzw. Arbeitszeiten, die zur vorhandenen Kinderbetreuung passen,
  • eine bezahlbare Wohnung,
  • ein Steuersystem, das sie nicht benachteiligt,
  • familienpolitische Leistungen, bei denen sie nicht länger durchs Raster fallen.

Um Kinder aus der Armut zu holen, braucht es eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen auch verdient. Die Basis für die eigenständige Leistung für jedes Kind ist ein neu und realistisch berechnetes kindliches Existenzminimum.

Da jedes zweite Kind in Armut bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwächst muss sichergestellt werden, dass eine Kindergrundsicherung auch für Kinder getrennter Eltern in gleicher Weise greifen kann. Bei der Festsetzung des Abschmelzmodus und im Detail an der Schnittstelle zum Unterhaltsrecht muss eine Kindergrundsicherung so ausgestaltet werden, dass am Lebensmittelpunkt eines Kindes – bzw. im paritätischen Wechselmodell auch bei dem Elternteil mit weniger Einkommen – genug Geld ankommt, um die Bedarfe des Kindes zu decken. Die Existenz von Trennungskindern muss in beiden Haushalten gesichert sein. Für die Betreuung eines Kindes in zwei Haushalten im erweiterten Umgang und im paritätischen Wechselmodell entstehen Mehrkosten. Diese Umgangsmehrbedarfe sind Bestandteil des Existenzminimums von Trennungskindern.

 

Verband alleinerziehender Mütter und Väter, VAMV Bundesverband

Zusammenfassung und Ergänzungen: Brigitte Rösiger