SORGERECHT
Die „elterliche Sorge“ umfasst die Pflicht und das Recht, für ein minderjähriges Kind zu sorgen. Neben der Aufgabe, das Kind zu pflegen und zu erziehen (Personensorge) und sein Vermögen zu verwalten (Vermögenssorge) beinhaltet sie auch die Berechtigung, das Kind gesetzlich zu vertreten. Die Personensorge berechtigt die Eltern unter anderem zu bestimmen, wo sich das Kind aufhält (Aufenthaltsbestimmungsrecht). Eltern sollen Fragen der elterlichen Sorge mit dem Kind, je nach Entwicklungsstand, besprechen und eine einvernehmliche Lösung anstreben (§ 1626 Abs. 2 BGB). Oberste Richtschnur der elterlichen Sorge ist dabei das Wohl des Kindes.
Die tatsächliche Sorgeverantwortung wird jedoch durch die elterliche Sorge nicht abschließend umfasst: So wird die elterliche Verpflichtung, finanziell für das Kind zu sorgen, durch das Unterhaltsrecht und das Recht auf Umgang mit dem Kind durch das Umgangsrecht geregelt. Unterhalts-, Umgangs- und Sorgerecht bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander. So besteht die Verpflichtung eines Elternteils zu Unterhaltszahlungen ganz unabhängig davon, ob er das Sorgerecht hat oder nicht. Ebenfalls unabhängig vom Sorgerecht hat jeder Elternteil ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wobei er dann in den Zeiten, in denen sich das Kind bei ihm aufhält, auch die Sorge in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung für das Kind inne hat.

Zu den Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung gehören u. a. Ernährung, Schlafenszeit und Fernsehkonsum. Wenn Eltern die Betreuung eines Kindes jeweils zur Hälfte übernehmen (Wechselmodell) oder ein stark erweiterter Umgang stattfindet, kann dies jedoch Auswirkungen auf die Unterhaltsverpflichtung haben (siehe Kapitel Unterhalt).
Haben Eltern die gemeinsame Sorge für ihr Kind, müssen sie diese in gegenseitigem Einvernehmen ausüben und bei Meinungsverschiedenheiten versuchen, sich zu einigen. Hat ein Elternteil die alleinige Sorge für das Kind, kann er alle Entscheidungen im Rahmen des Sorgerechts allein treffen.
GEMEINSAME SORGE BEI GETRENNTLEBENDEN
Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, gliedert sich die gemeinsame Sorge in zwei Bereiche auf: In Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung müssen die Eltern weiterhin einvernehmliche Entscheidungen treffen, während der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, in der Regel in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden kann.
Um zwischen den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung und denen des täglichen Lebens unterscheiden zu können, gilt folgende Faustformel: Entscheidungen, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben sind Entscheidungen des täglichen Lebens – Entscheidungen, die nicht häufig vorkommen und schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, sind Entscheidungen von erheblicher Bedeutung.
Angelegenheiten des täglichen Lebens sind u. a. Schulalltag einschl. Teilnahme an Tagesausflug o. Klassenfahrt; tägliche Pflege (Nahrung, Kleidung, Hygiene); Freizeitgestaltung (Sport, Hobbys, Ausgehzeiten, Alltagsumgang mit Freund*innen).
Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind beispielsweise die Auswahl der Kitabetreuungseinrichtung und Schulwahl, die Entscheidung über Zugehörigkeit zu einer Religion und religiöse Riten wie Erstkommunion oder Bat Mizwa sowie die Teilnahme am Religionsunterricht, die Beantragung von Reisepass und Kinderausweis, weitere Auslandsreisen insbesondere kleinerer Kinder in einen ihnen nicht bekannten Kulturkreis oder Reisen in ein politisches Krisengebiet, begleitetes Fahren ab 17 Jahren, größere medizinische Eingriffe und Impfungen, psychotherapeutische Behandlung sowie der Umgang mit Dritten.

Die Unterscheidung dieser beiden Arten von Angelegenheiten bereitet vielen Eltern Schwierigkeiten und ist auch nicht abschließend möglich, weil sie von Fall zu Fall, beispielsweise in Abhängigkeit vom Alter des Kindes oder von den Erziehungsvorstellungen der Eltern, variieren kann. Haben die Eltern die gemeinsame Sorge, so müssen Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung gemeinsam getroffen werden, was bedeutet, dass die Eltern sich auf ein Vorgehen einigen müssen.
Zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung gehört auch die Grundentscheidung, bei welchem Elternteil das Kind nach der Trennung lebt. Deshalb müssen die Eltern diese Entscheidung gemeinsam treffen (siehe zu verschiedenen Betreuungsmodellen Kapitel Umgang).
Bei gemeinsamer Sorge kann eine tatsächliche gemeinsame Verantwortungsübernahme oftmals mithilfe einer Elternvereinbarung erreicht werden, in der die Eltern freiwillige Vereinbarungen zur konkreten Ausgestaltung der Sorge, aber auch über Umgang und Unterhalt treffen. Der VAMV hat hierfür eine Mustervereinbarung entwickelt (Bezugshinweis siehe unten). In einer solchen Elternvereinbarung empfiehlt es sich, folgende Punkte zu regeln: den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, die Handhabung bestimmter Angelegenheiten des täglichen Lebens sowie die Verständigung über Erziehungsziele und grundsätzliche Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Und, über sorgerechtliche Inhalte hinaus, auch die Ausgestaltung des Umgangs inklusive Absprachen zu den Ferien und Feiertagen, den Kindesunterhalt und die Vorgehensweise im Konfliktfall.
Auf der Grundlage dieser Vereinbarung können Eltern die tatsächliche Ausübung der gemeinsamen Sorge für die Zukunft vereinbaren und regeln. Die Mustervereinbarung können Eltern selbst oder mit der Unterstützung von Beratungsstellen, vom Jugendamt oder Anwält*innen ausfüllen und unterschreiben.
Können sich Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht haben, in einer Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so empfiehlt es sich, Hilfe bei einem neutralen Dritten zu suchen, beispielsweise bei einer Beratungsstelle oder einem*einer Mediator*in. Kommt es trotzdem zu keiner Einigung, so können sich die Eltern an das Familiengericht wenden. Dieses entscheidet jedoch nicht die strittige Frage selbst, sondern überträgt einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis. Dabei ist entscheidend, welcher Standpunkt nach Überzeugung des Gerichtes sachlich besser begründet ist und dem Wohl des Kindes dient.

Geht es um den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht,die Herausgabe des Kindes oder eine Kindeswohlgefährdung, so wird das Verfahren vom Gericht vorrangig und beschleunigt geführt. Wird zusätzlich eine besonders schnelle Entscheidung benötigt oder geht es um andere sorgerechtliche Fragen, kann beim Gericht ein Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt werden. Das Gericht kann dann eine vorläufige Maßnahme treffen.
Beispiel: Die Eltern können sich nicht über die Einschulung des Kindes einigen. Ein Elternteil möchte das Kind sofort einschulen, der andere will es noch ein Jahr im Kindergarten lassen. Da die Frage einer möglichen Einschulung drängt, überträgt das Gericht das Recht zur Entscheidung über die schulischen Belange vorläufig einem Elternteil allein.
Bei Gefahr im Verzug haben beide Eltern die alleinige Entscheidungs- und Handlungsbefugnis. Das ist dann der Fall, wenn dem Kind Nachteile von erheblichem Ausmaß drohen, zu deren Abwendung sofortiges Eingreifen notwendig und eine vorherige Kontaktaufnahme zum anderen Elternteil nicht möglich ist, beispielsweise bei Unfällen, Krankheiten oder auf Reisen.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V.:
Elternvereinbarung
Download unter www.vamv.de/de/service/publikationen/
Bestellung möglich unter kontakt@vamv.de oder Tel. 030/69 59 78 6

WIE ELTERN DAS SORGERECHT BEKOMMEN
Sind Eltern bei der Geburt ihres Kindes miteinander verheiratet, haben sie das gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Dieses bleibt auch nach einer Scheidung weiter bestehen, es sei denn, ein Familiengericht ordnet eine andere Sorgerechtsregelung an, beispielsweise weil ein Elternteil einen Antrag auf alleinige Sorge stellt.
Sind Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, können sie durch eine übereinstimmende Sorgeerklärung (auch „gemeinsame Sorgeerklärung“ genannt) die gemeinsame Sorge für ihr Kind ausüben. Eine Sorgeerklärung muss öffentlich beurkundet werden, bei einem*einer Notar*in oder beim zuständigen Jugendamt. Eine Frist für die Sorgeerklärung gibt es nicht: Sie kann bis zur Volljährigkeit des Kindes abgegeben werden. Ebenso kann sie bereits vor der Geburt des Kindes abgegeben werden, auch wenn die Wirkung des gemeinsamen Sorgerechts erst mit der Geburt des Kindes eintritt. Haben Eltern durch eine Sorgeerklärung das gemeinsame Sorgerecht bekommen, können sie dies allerdings nicht einfach durch eine gegenteilige Erklärung wieder rückgängig machen. Trennen sie sich, dann gelten für diese Eltern dieselben Bestimmungen wie für geschiedene Eltern: Die gemeinsame Sorge bleibt auch nach der Trennung bestehen, es sei denn, ein Familiengericht ordnet eine andere Regelung an.
Eltern, die nach der Geburt des Kindes heiraten, erhalten mit der Heirat das gemeinsame Sorgerecht.
Wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind und auch keine Sorgeerklärung abgegeben haben, hat die Mutter mit Geburt des Kindes die alleinige Sorge.
Der Vater, der das Sorgerecht mit der Mutter zusammen ausüben möchte, kann mit ihr zusammen eine Sorgeerklärung abgeben, was das Einverständnis der Mutter voraussetzt. Er kann auch allein eine Sorgeerklärung beim Jugendamt abgeben und die Mutter auffordern, ebenfalls eine Sorgeerklärung abzugeben, wodurch die Eltern die gemeinsame Sorge erlangen würden.

DER ANTRAG AUF ÜBERTRAGUNG
DER GEMEINSAMEN SORGE
Stimmt die Mutter dem gemeinsamen Sorgerecht nicht zu, kann der Vater seit 2013 bei Gericht einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen (§ 1626 a Abs. 2 S. 1 BGB). Das Gericht überträgt die gemeinsame Sorge den Eltern, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Diese Regelung gilt ohne Einschränkung für alle nicht miteinander verheirateten Eltern, ganz egal ob die Kinder vor dem Inkrafttreten oder nach dem Inkrafttreten der Neuregelung 2013 geboren wurden, also sowohl für Neugeborene als auch für minderjährige Kinder jeden Alters.
Theoretisch kann auch die Mutter einen Antrag beim Gericht auf gemeinsame Sorge stellen, wenn der Vater dem gemeinsamen Sorgerecht nicht zustimmt. Dies wird voraussichtlich jedoch die Ausnahme sein, weshalb im Folgenden davon ausgegangen wird, dass der Sorgerechtsantrag vom Vater gestellt wird.
Voraussetzung für einen Sorgerechtsantrag ist, dass die Vaterschaft anerkannt oder festgestellt wurde. Die Vaterschaft kann bereits vor der Geburt anerkannt werden, hierzu ist die Zustimmung der Mutter erforderlich. Stimmt die Mutter der Vaterschaftsanerkennung nicht zu, kann der Vater nach der Geburt des Kindes einen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft stellen.

Hat der Vater den Antrag auf gemeinsame Sorge beim Gericht gestellt, lässt das Gericht der Mutter den Antrag zustellen und setzt ihr eine Frist zur Stellungnahme. Das bedeutet, dass die Mutter sich innerhalb dieser Frist schriftlich zum Antrag des Vaters äußern und Gründe darlegen muss, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen. Post von dem*der Anwält*in des Vaters oder vom Vater selbst kann den Antrag nur ankündigen, die Aufforderung zur Stellungnahme kommt direkt vom Gericht.
Hinweis: Manche Gerichte setzen sehr kurze Fristen! Diese können durchaus nur zwei Wochen betragen und werden von den Gerichten nach eigenem Ermessen festgelegt. Die vom Gesetz für die Mutter vorgesehene sechswöchige Schonfrist nach der Geburt bedeutet nur, dass die vom Gericht gesetzte Frist für die schriftliche Stellungnahme frühestens sechs Wochen nach der Geburt enden darf. Diese Schonfrist ist also nicht mit der Frist für die Stellungnahme zu verwechseln!
Lässt die Mutter die Frist für die Stellungnahme verstreichen, ohne sich schriftlich zu äußern oder trägt sie in ihrer Stellungnahme keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen Sorge entgegenstehen können, wird gesetzlich vermutet, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. In diesem Fall soll das Gericht den Eltern die gemeinsame Sorge im Rahmen eines besonderen Verfahrens in der Regel zusprechen. Das Besondere an diesem Gerichtsverfahren ist, dass weder Sie noch der andere Elternteil persönlich von dem*der Richter*in angehört werden.
Allenfalls wird Ihr Kind, wenn es alt genug ist, möglicherweise vom Gericht persönlich gehört. Auch das Jugendamt wird in diesem Verfahren, das ausschließlich schriftlich abläuft, nicht eingeschaltet und es werden auch keine Sachverständigen gehört, wie es in einem „normalen“ kindschaftsrechtlichen Verfahren möglich ist.
Wenn Sie konkrete Ängste und Bedenken gegen eine gemeinsame Sorge haben und der Ansicht sind, dass eine gemeinsame Sorge mit dem anderen Elternteil sich nachteilig auf das Wohl des Kindes auswirken wird, müssen Sie diese also schriftlich innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist formulieren und dem Gericht zukommen lassen.
Wenn Ihre Stellungnahme bei dem Gericht den Eindruck erweckt, die gemeinsame Sorge der Eltern könnte dem Wohl des Kindes widersprechen, wird es ein „normales“ Verfahren in Gang setzen, um zu prüfen, ob dies bei näherer Betrachtung tatsächlich der Fall ist oder nicht. Dazu wird es Sie und den
anderen Elternteil persönlich (und unter Umständen auch getrennt voneinander) anhören, sich mithilfe des Jugendamtes und gegebenenfalls mithilfe von Sachverständigen ein Bild von der Situation machen, um anschließend zu entscheiden, ob es bei Ihrer alleinigen Sorge als Mutter bleibt oder die Eltern die Sorge gemeinsam übertragen bekommen.
Wenn Sie eine Aufforderung zur Stellungnahme zu einem Antrag auf gemeinsame Sorge bekommen, ist es also sinnvoll, wenn Sie sich Gedanken machen, wie Sie zur gemeinsamen Sorge stehen und was die Vor- und Nachteile dieser Sorgeform für Ihr Kind sein können. Grundsätzlich erwartet der Gesetzgeber von den Eltern, dass sie „Mühen und Anstrengungen auf sich nehmen, um im Bereich der elterlichen Sorge zu gemeinsamen Lösungen im Interesse des Kindes zu kommen“ und sich „notfalls unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe von außen um eine angemessene Kommunikation bemühen“. Überlegen Sie, was für die gemeinsame Sorge spricht und welche Voraussetzungen dafür vorliegen beziehungsweise geschaffen werden können. Gute Voraussetzungen für einvernehmliche Absprachen im Sinne des Kindes sind eine gleichberechtigte Elternschaft, gegenseitiger Respekt und eine wertschätzende Kommunikation. Dies hat in der Regel positive Auswirkungen auf das Kind, denn für Kinder ist eine möglichst ungetrübte Beziehung zu beiden Eltern sehr wichtig. Sie und der andere Elternteil sollten versuchen, im Sinne einer verantwortungsvollen Elternschaft trotz eigener Konflikte die Bedürfnisse des Kindes im Blick zu behalten. Überlegen Sie, ob zwischen Ihnen und dem anderen Elternteil des Kindes eine ausreichende Basis zur Verständigung in den wichtigsten, das Kind betreffenden Fragen vorhanden ist. Konflikte, die Sie als Paar beschäftigt haben oder noch beschäftigen, dürfen nicht mit den Angelegenheiten, die die Sorge betreffen, vermischt werden. Insofern stellt die gemeinsame Sorge hohe Anforderungen an die Eltern. Wenn Streitigkeiten auch durch eine Beratung oder eine Mediation nicht beigelegt werden können, kann die Alleinsorge unter Umständen die bessere Alternative sein.
Wenn Sie negative Auswirkungen auf das Kind befürchten, beispielsweise weil Sie bereits in langjährige Streitigkeiten mit dem anderen Elternteil verstrickt sind und keine gemeinsamen Entscheidungen zum Wohl des Kindes treffen können und Beratung und Mediation zu keiner Änderung geführt haben, sollten Sie Ihre Gründe gegen die gemeinsame Sorge in der schriftlichen Stellungnahme anhand von konkreten Beispielen und Vorkommnissen darlegen. Dasselbe gilt, wenn Sie befürchten, dass Sie und der andere Elternteil aufgrund schwerwiegender und nachhaltiger Störungen auf der
Kommunikationseben nicht in der Lage sein werden, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen (BGH Beschluss vom 15. Juni 2016 – XII ZB 419/15).
Unter Umständen kann es empfehlenswert sein, sich hierzu bereits von einem*einer Anwält*in beraten zu lassen. Wenn Sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Kosten der Beratung oder der Verfahrensführung aufzubringen, können Sie einen Antrag auf Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe stellen (siehe Kapitel 8 Juristische Beratung und ihre Kosten).
Gibt es schwerwiegende Gründe wie Gewalt in der Beziehung, Missbrauch, Drogen- und Alkoholprobleme, gegebenenfalls psychische Erkrankungen, sollten Sie diese, so schwer es auch fällt, unbedingt in der schriftlichen Stellungnahme ansprechen, da die Alternative die gemeinsame Sorge mit einer womöglich gewaltbereiten oder unberechenbaren bzw. handlungsunfähigen Person ist. In diesem Zusammenhang sollte auch über die Ausgestaltung des Umgangs nachgedacht werden. Eine anwaltliche Beratung ist dann noch dringender angeraten, damit beim Gericht gegebenenfalls eine spezielle Gestaltung des Verfahrens (getrennte Anhörung) angeregt und eventuell notwendige Anträge auf Gewaltschutz und entsprechende Umgangsregelungen gestellt werden können.
Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes widerspricht, weist es den Antrag des Vaters zurück und es bleibt bei Ihrer alleinigen Sorge als Mutter. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes nicht widerspricht, überträgt es die Sorge Ihnen und dem Vater gemeinsam. Ihr mit der Stellungnahme gegen die gemeinsame Sorge vorgebrachter Widerspruch kann auch in diesem Fall für alle Beteiligten positive Wirkungen entfalten, denn in einem „normalen“ Verfahren können über angeordnete Beratung oder freiwillige Mediation möglicherweise bessere Voraussetzungen für die gemeinsame Sorge geschaffen werden, als wenn die gemeinsame Sorge in einem rein schriftlichen Verfahren zuerkannt wird: Ihre Bedenken können vom anderen Elternteil zur Kenntnis genommen, gewürdigt und gegebenenfalls beruhigt werden. Im „normalen Verfahren“ kann es auch zu freiwilligen Vereinbarungen kommen, während das schriftliche Verfahren jede Chance auf eine einvernehmliche Lösung von vornherein ausschließt.
Darüber hinaus hat das Gericht die Möglichkeit, Teilbereiche wie beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus der gemeinsamen Sorge her-
auszunehmen, was bei einer übereinstimmenden Sorgeerklärung vor dem Jugendamt nicht möglich ist. Eine Teilübertragung wird immer dann in Betracht kommen, wenn hinsichtlich bestimmter Teilbereiche der elterlichen Sorge eine gemeinsame Sorgetragung ohne negative Auswirkungen für das Kind zu erwarten ist, in anderen Teilbereichen hingegen nicht.
Hat der Vater noch keinen Antrag auf gemeinsame Sorge gestellt, aber rechnen Sie in Kürze mit einem solchen und haben Sie Bedenken gegen die gemeinsame Sorge, können Sie für Zeiten, in denen Sie abwesend, beispielsweise verreist oder im Krankenhaus sind, vorsorglich bei Gericht eine Schutzschrift einreichen. Darin müssen Sie qualifizierte Gründe gegen eine gemeinsame Sorge darlegen. Rechtsberatung durch eine*n Anwält*in ist hierbei empfehlenswert. Eine Schutzschrift wird vom Gericht nicht an den Vater weitergeleitet. Stellt er den Antrag auf gemeinsame Sorge nicht, erfährt er also auch nichts von Ihren Argumenten gegen diese. Die Schutzschrift bringt jedoch dem Gericht „auf sonstige Weise“ Gründe zur Kenntnis, die der gemeinsamen Sorge entgegenstehen können, wodurch das Gericht in die Lage versetzt wird, ein „normales“ Verfahren einzuleiten, in dem Sie persönlich angehört werden. Insoweit kann eine Schutzschrift Sie davor bewahren, dass Sie durch das Versäumen einer während Ihrer Abwesenheit gesetzten Frist Nachteile erleiden. Andernfalls könnte Ihnen das Gericht während Ihrer Abwesenheit die gemeinsame Sorge mit dem anderen Elternteil des Kindes übertragen, ohne dass Sie Gelegenheit haben, das Gericht von Ihren Bedenken in Kenntnis zu setzen.

ALLEINSORGE
Die alleinige elterliche Sorge hat die Mutter für ihr Kind, wenn sie bei der Geburt nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet ist, keine gemeinsame Sorgeerklärung mit dem Vater abgegeben hat und das Familiengericht auch keine andere diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.
Möchte der Vater das Sorgerecht haben und stimmt die Mutter dem gemeinsamen Sorgerecht nicht zu, kann der Vater seit 2013 bei Gericht nicht nur einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen, sondern auch einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge (§ 1671 Abs. 2 S. 1 BGB). Dieser Antrag
hat Erfolg, wenn die gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Was dem Wohl des Kindes am besten entspricht, bewertet das Gericht unter Einbeziehung aller Lebensumstände.
Bei vorheriger gemeinsamer Sorge kann der Tod eines Elternteils, eine Entziehung des Sorgerechts durch das Familiengericht oder eine Verhinderung des anderen Elternteils dazu führen, dass ein Elternteil das Sorgerecht allein ausübt. Bei vorheriger alleiniger Sorge eines Elternteils kann in diesen Fällen durch das Gericht eine Übertragung der Alleinsorge auf den anderen Elternteil erfolgen.
Besteht die Gefahr, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist, z. B. bei berechtigter Angst vor Kindesentführung oder vor anderen gefährdenden Verhaltensweisen eines Elternteils, besteht die Möglichkeit, im Zuge einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht vorläufig die alleinige elterliche Sorge übertragen zu bekommen. Die Vorläufigkeit besteht so lange, bis in der Hauptsache entschieden wird.
Haben Eltern nach einer Trennung oder Scheidung die gemeinsame Sorge, so kann jeder Elternteil einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge stellen. Dieser Antrag hat Erfolg, wenn der andere Elternteil zustimmt oder die Alleinsorge dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Letzteres trifft zu, wenn die Voraussetzungen der Ausübung der gemeinsamen Sorge fehlen. Diese setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. So kann ein nachhaltiger und tiefgreifender Elternkonflikt dazu führen, dass es an einer Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt. Das Gericht wägt bei der Entscheidung darüber in einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände ab. Dass Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt dafür jedoch regelmäßig nicht. Ab seinem 14. Geburtstag kann ein Kind der Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil widersprechen.
Es gibt auch die Möglichkeit, nur einen Teilbereich der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zu übertragen, beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wenn die Eltern nur über den Aufenthalt des Kindes streiten. Damit entscheidet der Elternteil allein, wo das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine solche Teilübertragung muss ebenfalls beim Familiengericht beantragt werden. Ein Antrag ist dann sinnvoll, wenn beide Eltern
eine Übertragung wünschen oder nur auf einem Gebiet der elterlichen Sorge nicht miteinander kooperieren können.
Das alleinige Sorgerecht wird von einer Beistandschaft beim Jugendamt (zur Feststellung der Vaterschaft oder Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen) nicht eingeschränkt. Sollten Sie eine Bescheinigung über das alleinige Sorgerecht (eine sogenannte „Negativbescheinigung“) für Ihr Kind benötigen, z. B. um Ausweisdokumente zu beantragen, können Sie diese bei Ihrem zuständigen Jugendamt erhalten. Minderjährige Eltern üben bis zu ihrer Volljährigkeit für ihre Kinder lediglich die tatsächliche Personensorge aus. Ist der andere Elternteil ebenfalls nicht volljährig oder ist der minderjährige Elternteil allein sorgeberechtigt, muss für diesen Zeitraum ein Vormund als gesetzlicher Vertreter des Kindes bestellt werden.
Sind Sie allein sorgeberechtigt und haben geheiratet oder sind eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen, hat Ihr*e Ehe- bzw. Lebenspartner*in, obwohl er*sie nicht Elternteil des Kindes ist, das sogenannte „kleine Sorgerecht“. Das bedeutet, dass er*sie im Einvernehmen mit Ihnen die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes hat. Das gilt auch gegenüber Dritten, er*sie kann also dem Kind eine Entschuldigung für die Schule schreiben oder einen Arztbesuch durchführen.