Justizministerin kündigt Reform an Unterhaltsrecht: Müssen Väter bald weniger zahlen?

Trennen sich Eltern, müssen Väter auch dann vollen Unterhalt zahlen, wenn die Kinder drei von sieben Tagen bei ihnen leben. Seit Jahren brütet die Politik über einer Reform, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, ohne Mütter in die Bredouille zu bringen. Jetzt kommt Bewegung in die Sache.
„Ich arbeite daran, dass wir im Frühjahr kommenden Jahres einen Gesetzentwurf vorlegen werden“, kündigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung an. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ergänzte ebenfalls im Gespräch mit unserer Redaktion: „Das Sorge- und Umgangsrecht und das Unterhaltsrecht bilden den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte noch nicht ab. Das wollen wir ändern.“
Schon im vergangenen März hatte Giffey erklärt, es gehe nicht an, dass Väter weiterhin den vollen Unterhalt zahlen müssten, auch wenn die Kinder viel Zeit bei ihnen verbringen. Das schürte bei Vätern hohe Erwartungen und bei Müttern die Angst vor finanziellen Einbußen. Der Status quo ist in Paragraf 1606 des Bürgerlichen Gesetzbuches festgehalten, wonach das Elternteil, das nicht überwiegend für die Pflege- und Erziehungsarbeit zuständig ist, Geld bezahlen muss.
Die Federführung bei der Reform hat die Bundesjustizministerin. Als Christine Lambrecht das Amt im Juni von Katarina Barley übernahm, geriet die Sache ins Stocken. Inzwischen hat eine Expertengruppe ein „Thesenpapier“ erarbeitet, dass Grundlage für Lambrechts Reform sein soll. Darin heißt es, der Gesetzgeber müsse der Vielfalt heutiger Familienverhältnisse und Betreuungsformen „besser Rechnung tragen“.
Gut möglich, dass Mütter künftig weniger bekommen, wenn Kinder viel Zeit bei den Vätern verbringen. „Die getrennt lebenden Familien haben nur eine Summe zur Verfügung“, erklärte Lambrecht. „Trotzdem muss jedes Elternteil ein Kinderzimmer vorhalten, wenn es sich regelmäßig um den Nachwuchs kümmert. Auch das müssen wir berücksichtigen.“ Und sie betonte: „Hier suchen wir nach einem fairen Ausgleich der Interessen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Was ist für die Kinder das Beste?“
Dabei wird sich die Reform nicht auf neue Unterhalts-Regeln beschränken. „Wir müssen das Unterhaltsrecht zusammen mit dem Sorge- und Umgangsrecht betrachten“, so Lambrecht. Auch bei Kindergeldzahlungen könnte es Veränderungen geben.
Vom Tisch sind Erwägungen, eine je hälftige Kinderbetreuung durch Mütter und Väter zum Vorbild zu machen. „Klar ist, dass wir kein Modell verbindlich vorschreiben wollen“, sagte Familienministerin Giffey. „Jede Familie muss auch nach einer Trennung die Möglichkeit haben, den für sie passenden Weg zu finden.“
Die beiden SPD-Ministerinnen ziehen an einem Strang, für die Reform muss indes auch die Union ins Boot geholt werden. Zwar ist das Vorhaben im Koalitionsvertrag vereinbart. Auch dort wird betont, eine Teilung der Erziehungsverantwortung solle stärker berücksichtigt werden, allerdings unter dem Vorbehalt: „Wenn die Eltern sich einig sind oder Gründe des Kindeswohls vorliegen.“
Eine Besserstellung von Vätern gegen den Willen der Mütter wäre damit nicht automatisch abgedeckt. Und sehr oft sind sich die Eltern nach der Trennung eben nicht einig: Im Jahr 2017 landeten 61.000 Unterhaltsstreitigkeiten vor den Familiengerichten.
Justizministerin Lambrecht sagte, bei allem Streit müsse gleichwohl festgehalten werden: „Es ist eine sehr positive, ja tolle Entwicklung, dass sich heute viel häufiger beide Eltern nach einer Trennung um Kind oder Kinder kümmern wollen.“