Ergebnisse einer DJI-Studie informieren über die Gründe und zeigen, dass weitere Nachbesserungen beim staatlichen Unterhaltsvorschuss nötig sind

09. Juni 2021 –Der Anteil von Alleinerziehenden in Deutschland steigt: Knapp ein Fünftel aller Familien mit minderjährigen Kindern waren im Jahr 2017 Ein-Eltern-Familien. In diesen lebten neun von zehn Kindern überwiegend bei ihrer Mutter, zeigen Daten des Statistischen Bundesamts. Der leibliche Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt, ist in der Regel gegenüber dem Kind zu Unterhalt verpflichtet. Manche getrenntlebende Elternteile kommen dieser Pflicht jedoch nicht oder zumindest nicht vollständig nach. Wie viele Kinder davon betroffen sind und was die Gründe für den Zahlungsausfall sind, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) anhand von Daten der DJI-Alleinerziehendenstudie aus dem Jahr 2016 untersucht. Für die Studie wurden mehr als 1.000 alleinerziehende Mütter und knapp 100 alleinerziehende Väter mit einem Kind unter 15 Jahren befragt.

Nur jedes vierte Kind von Alleinerziehenden erhält Mindestunterhalt

Die Analysen zeigen: Von den Kindern, für die laut Auskunft der befragten Alleinerziehenden Unterhaltszahlungen vereinbart oder festgelegt wurden (81 Prozent), erhalten mehr als ein Drittel (37 Prozent) keinen oder nur unvollständigen Unterhalt vom anderen Elternteil. Bei ungefähr der Hälfte von diesen kommt gar kein Unterhalt an. „Für die kindliche Entwicklung und das Wohlergehen der Kinder spielt die soziökonomische Situation der Familie eine entscheidende Rolle und diese wird durch ausbleibende Unterhaltszahlungen negativ beeinflusst“, sagt Studienautorin Dr. Sandra Hubert vom DJI. Die Sozialwissenschaftlerin hält das Ergebnis aus einem weiteren Grund für alarmierend: Insgesamt erhält nur knapp jedes vierte Kind, das in einer Alleinerziehendenfamilie lebt, Unterhalt vom anderen Elternteil, dessen Höhe dem Mindestunterhalt gemäß der sogenannten Düsseldorfer Tabelle entspricht. Diese zeigt auf, wie viel Unterhalt je nach Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils und nach Alter des Kindes gezahlt werden sollte.

Häufigster Grund für ausbleibende Zahlungen: Der getrenntlebende Elternteil ist wirtschaftlich nicht leistungsfähig

Im Rahmen der DJI-Alleinerziehendenstudie wurden auch die Ursachen für den Zahlungsausfall erfragt, allerdings nur einseitig, also bei dem Elternteil, bei dem das Kind hauptsächlich lebt. Ausbleibende Unterhaltszahlungen erklärten die Alleinerziehenden am häufigsten damit, dass der getrenntlebende Elternteil wirtschaftlich nicht leistungsfähig sei: Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) sprechen von einem sehr geringen Einkommen, etwa durch Arbeitslosigkeit, Bezug von Sozialleistungen, Verschuldung oder Privatinsolvenz des Ex-Partners oder der Ex-Partnerin. Fast die Hälfte (48 Prozent) der Befragten, die für ihr Kind nicht den vollständigen Unterhalt erhält, gab an, dass der andere Elternteil sich weigere, den Unterhaltsverpflichtungen (vollständig) nachzukommen. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) verzichtet auf Unterhalt, um das Verhältnis zwischen den Eltern nicht zu belasten.

Kinder, die auf staatlichen Unterhaltsvorschuss angewiesen sind, werden benachteiligt

Da es vielen Alleinerziehenden, die eine Zahlungsverweigerung des anderen Elternteils annehmen, nicht zu gelingen scheint, Unterhaltszahlungen durchzusetzen, fordert Hubert: „Alleinerziehende sollten bei der juristischen Klärung beziehungsweise Durchsetzung der Unterhaltszahlungen besser unterstützt werden, da die dafür aufgewendete Zeit, Energie und das Geld nicht mehr dem Kind zur Verfügung stehen“. Zudem sieht sie beim staatlichen Unterhaltsvorschuss politischen Handlungsbedarf. Zwar können diesen Alleinerziehende beantragen, die für ihr Kind keinen oder unregelmäßigen Unterhalt bekommen. Doch der DJI-Studie zufolge hat den Unterhaltsvorschuss letztlich nur etwas mehr als ein Drittel der betroffenen Familien bezogen. Die staatliche Leistung konnte im Befragungszeitraum nur für längstens 72 Monate und bis zum 12. Geburtstag des Kindes in Anspruch genommen werden.

Auch wenn die Reform des Unterhaltsvorschusses im Jahr 2017 dazu geführt hat, dass insgesamt mehr als doppelt so viele Familien diese Unterstützungsleistung erhalten wie zuvor, sieht Dr. Sandra Hubert weiteren Nachbesserungsbedarf. Denn der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss gilt aktuell nur bis zum Ende des 18. Lebensjahres, obwohl unterhaltspflichtige Eltern bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung Zahlungen leisten müssen. Außerdem kann der Bezug nur unter der Bedingung erfolgen, dass der alleinerziehende Elternteil monatlich mindestens 600 Euro brutto erwirtschaftet und nicht von Sozialtransfers abhängig ist. Schließlich wird beim Unterhaltsvorschuss das Kindergeld vollständig auf den Mindestunterhalt angerechnet, und nicht zur Hälfte wie im Unterhaltsrecht. „Durch diese Regelungen werden Unterhaltsvorschussbeziehende Kinder immer noch benachteiligt“, kritisiert Hubert.

Die Ergebnisse der Studie wurden in einem Fachartikel in der „Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation“ im Jahr 2020 veröffentlicht. Der Artikel und das ganze Magazin stehen nun „Open Access“ zur Verfügung und können damit kostenlos heruntergeladen werden.

Hubert, Sandra/Neuberger, Franz/Sommer, Maximilian (2020): Alleinerziehend, alleinbezahlend? Kindesunterhalt, Unterhaltsvorschuss und Gründe für den Unterhaltsausfall. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, Jahrg. 40, H. 1, S. 19-38Schwerpunktheft „Trennung und Scheidung“ der Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation“, Jahrg. 40, H. 1DJI-Alleinerziehendenstudie

Kontakt
Dr. Sandra Hubert
Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden
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hubert@dji.de

Uta Hofele
Abteilung Medien und Kommunikation
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