fs /   Vorurteile gegenüber Müttern beeinflussen die Rechtsprechung in Sorgerechtsprozessen. Für Kinder kann das schwere Folgen haben.

Mütter lügen, manipulieren Kinder und beschuldigen Väter fälschlicherweise der seelischen und körperlichen Gewalt: Solche Vorurteile beeinflussen die Rechtsprechung an Familiengerichten in Deutschland, sagt Soziologin Christina Mundlos. Insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt sei dies problematisch. Die frühere Gleichstellungsbeauftragte berät heute Mütter bei Trennungskonflikten.

Richter, Anwälte, Gutachter
Vorurteile bei Verfahrensbeteiligten wie Richtern, Anwälten und Gutachtern führen laut Mundlos dazu, dass das Recht des Vaters auf das Kind Vorrang haben kann vor dem Gewaltschutz für Mutter und Kind. Wenn eine Mutter von häuslicher Gewalt berichtet, glaube man ihr oft nicht, schrieb Mundlos in einem Gastbeitrag für die «Tageszeitung». Ihren Hinweisen auf seelische oder körperliche Gewalt gehe man nicht nach oder verharmlose sie. Und den Kindeswillen ignoriere man. Wenn die Kinder den Vater nicht sehen wollen, gelte nicht er als Problem, sondern die Mutter. Ihr werfe man Lügen, Manipulation der Kinder, Bindungsintoleranz oder Vater-Kind-Entfremdung vor. Sie gelte als schädlich für das Kind und müsse den Entzug des Sorgerechts fürchten. Mit der Drohung, man könne ihr jederzeit die Kinder wegnehmen, mache man Mütter gefügig. Das könne vor allem für Kinder schwerwiegende Folgen haben: Sie zwinge man gegen ihren Willen zum Umgang mit einem Elternteil, sogar wenn dieser gewalttätig ist.

Müttern glaubt man nicht
Familienrechtsexperte Ludwig Salgo von der Goethe Universität Frankfurt a.M. sagte im ZDF-Magazin «Volle Kanne», dass Vorurteile gegenüber Müttern insbesondere eine Rolle spielen, wenn sie Gewalt oder Missbrauch melden. Dann unterstelle man ihnen eine Mutter-Kind-Symbiose, Bindungsintoleranz oder Entfremdung. «Bindungsintoleranz ist inzwischen in den Auseinandersetzungen eine Waffe geworden. Man zieht einfach den Schluss, wenn Kinder eine ablehnende Haltung haben gegenüber einem Elternteil, dann käme das daher, dass der betreuende Elternteil bindungsintolerant wäre. Doch das sind oft sehr autonome und eigene Einstellungen der Kinder.»

Keine Einzelfälle
Laut Mundlos geht es nicht um Einzelfälle, sondern um die «systematische Verhinderung von Kinderschutz». Einer radikalen Väterlobby sei es in den letzten Jahren gelungen, Jugendämter und Familiengerichte zu unterwandern und zu beeinflussen. Ziel sei es, auch gewalttätigen Vätern den Umgang mit den Kindern zu ermöglichen.

Betroffene fordern Überprüfung von Urteilen
Letzten Herbst fand in Deutschland zum dritten Mal die  «White Lily Revolution» statt. Mütter legten weisse Lilien vor Familiengerichte, Jugendämter und andere Institutionen, die das Recht von Frauen und Kindern auf Gewaltschutz verletzt hatten. Im Bundesland Niedersachsen demonstrierte eine Gruppe von Betroffenen vor der Staatskanzlei. Sie forderten ein unabhängiges Gremium beim Familienministerium, das fragwürdige Entscheide von Familiengerichten überprüft. Zudem brauche es kontinuierliche Weiterbildung bei allen Verfahrensbeteiligten, damit Vorurteile gegenüber Müttern sich nicht verfestigen.

Christina Mundlos, Mütter klagen an. Institutionelle Gewalt gegen Frauen und Kinder im Familiengericht, Büchner Verlag 2023, ISBN 978-3-96317-332-5CHF 26.– / EUR 18.–.