Liebe VAMV-Mitglieder, Liebe Interessierte,

wir möchten Euch noch einmal auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bei Mitbetreuung durch den anderen Elternteil (BVerwG, Urteil vom 12.12.2023 – 5 C 10.22) hinweisen:

Im entschiedenen Fall beantragte die Klägerin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihre siebenjährige Tochter und deren Zwillingsschwester, da die Kinder bei ihr lebten und der Kindesvater keinen Unterhalt zahle. Die Vorinstanzen verneinten das Bestehen eines Anspruchs auf Unterhaltsvorschuss. Die Kinder lebten nicht im Sinne des Gesetzes bei der Klägerin, weil sie gemäß einer familienrechtlichen Vereinbarung vierzehntägig von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen beim Vater seien, der sie in dieser Zeit regelmäßig betreue und sie darüber hinaus auch während eines Krankenhausaufenthalts der Klägerin anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes versorgt habe. Der Mitbetreuungsanteil des Vaters betrage schon während der Schulzeiten 36 Prozent und führe zu einer wesentlichen Entlastung der Klägerin bei der Betreuung der Kinder.

Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass das Oberverwaltungsgericht als Vorinstanz in seiner Entscheidung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Bewertung der Frage der Alleinerziehung der Kinder durch die Klägerin angelegt habe. Dazu stellte es fest:

  1. Die Gewährung von Unterhaltsvorschuss setzt bei Mitbetreuung des Kindes durch den anderen Elternteil voraus, dass der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend, d. h. zu mehr als 60 Prozent bei dem alleinerziehenden Elternteil liege. Umgekehrt entfällt der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sich der andere Elternteil in der Weise an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt, dass sein Betreuungsanteil 40 Prozent erreicht oder überschreitet. Die Annahme, bereits bei einem Mitbetreuungsanteil von (nur) einem Drittel liege kein Alleinerziehen mehr vor, lässt sich bereits mit dem Wortlaut wie auch dem aufgezeigten Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbaren. So legt die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG schon nach ihrem Wortsinn nahe, dass ein zu zwei Dritteln von einem Elternteil betreutes Kind auch im Sinne des Gesetzes „bei“ diesem lebt.
  2. Die Bemessung der Betreuungsanteile der Elternteile und damit der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt ist ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln. Dieses Kriterium setzt lediglich eine Auflistung der Betreuungszeiten voraus.
  3. Die auf die Elternteile entfallenden Zeitanteile sind nicht monatsweise, sondern für längere Zeiträume zu ermitteln. Die Betreuungsanteile sind dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen. Maßgeblich für die Feststellung der Betreuungsanteile sind die Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil. Ferienzeiten sind zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind singuläre Betreuungssituationen, wenn etwa der andere Elternteil die Kindesbetreuung für einen begrenzten Zeitraum außerplanmäßig übernimmt, weil der hauptbetreuende Elternteil vorübergehend ausfällt (etwa wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts oder aus beruflichen Gründen).

Die UVG-Richtlinie muss nun also den Vorgaben des Urteils entsprechend geändert werden.

Im Ergebnis darf nun kein Antrag auf Unterhaltsvorschuss wegen einer Mitbetreuung des anderen Elternteils von 33 bis 39 Prozent abgelehnt werden. Hierbei ist allein die zeitliche Perspektive maßgebend.

Dass jetzt nicht schon bei einer Mitbetreuung von 33 Prozent der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss abgelehnt werden kann, sondern hierfür eine Mitbetreuung von 40 Prozent erforderlich ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sehen wir die Beurteilung der Mitbetreuung aus rein zeitlicher Perspektive kritisch, da im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage die Hauptverantwortung für die Betreuung nicht gewürdigt und berücksichtigt wird.

Den Link zur vollständigen Entscheidung findet Ihr hier:

https://www.bverwg.de/121223U5C10.22.0

Herzliche Grüße

Brigitte Rösiger