Offener Brief an die Verantwortlichen in Politik

Brigitte Rösiger
Verband alleinerziehender Mütter und Väter
VAMV-Landesverband e.V.
Gymnasiumstr. 43
70 174 Stuttgart
Tel.: 0711 – 24847118

Über uns

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Stuttgart, den 27. Mai 2020

Sehr geehrte Frau Ministerin Eisenmann,
sehr geehrter Herr Minister Lucha,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtags in Baden-Württemberg,

das Netzwerk Alleinerziehenden-Arbeit Baden-Württemberg, eine Arbeitsgemeinschaft von fünf kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen, versteht sich als Sprachrohr für die Belange von Alleinerziehenden in Politik, Gesellschaft und Kirche.
Die aktuelle Mitteilung in den Nachrichten, dass die Kitas und Grundschulen ab Ende Juni wieder vollständig geöffnet haben sollen, begrüßen wir sehr.

Aber: Was für ein langer Zeitraum, in dem die alleinerziehenden Mütter und Väter vollständig auf sich allein mit Home-Schooling/Kinderbetreuung/-versorgung und Home-Office angewiesen waren!

Keine Kinderbetreuung zu haben ist für Alleinerziehende ein existenzieller Notfall. Auch die Großeltern fallen in der Regel aus, da sie zu der Risikogruppe gehören. Anders als Paarfamilien können Alleinerziehende nicht zu zweit jonglieren, um fehlende Betreuung auszugleichen Der VAMV startete Mitte März die Petition: „Lösungen für Kinderbetreuung in der Corona Krise für Alleinerziehende“. Innerhalb kürzester Zeit unterschrieben fast 45.000 Betroffene.
Dennoch, viele Alleinerziehende haben in ihrer Verzweiflung bereits ihren Jahresurlaub für 2020 vollständig genommen. Dieser ist sowieso kürzer als die regulären Ferien der Kinder und so wird das Problem auf die anstehenden Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien vertagt.

Alleinerziehende treibt nicht nur die Sorge um die Gesundheit um, sondern auch Existenzängste. Sie brauchen deshalb schnell Gewissheit darüber, wie sie ihre Betreuungsprobleme kurz- und mittelfristig in der gegenwärtigen Situation lösen können.

Mitte April kam die Hoffnungsmeldung – Familienministerin Giffey weitet die Kindernotbetreuung aus. Auch Kinder von nicht in der kritischen Infrastruktur arbeitenden Eltern und ganz wichtig, Kinder von Alleinerziehenden, dürfen in die Notbetreuung gehen. Ein schöner Erfolg der VAMV-Petition.
Alle Bundesländer machten sich an die Umsetzung und in jedem Bundesland fiel aufgrund der föderalen Strukturen der Wortlaut der Verordnung etwas anders aus.
Der entscheidende Satz in der Verordnung aus Baden-Württemberg lautet: „Berechtigt zur Teilnahme an der erweiterten Notbetreuung sind Kinder, deren Erziehungsberechtigte beide einen Beruf ausüben, dessen zugrundeliegende Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur nach Absatz 8 beiträgt, und sie unabkömmlich sind oder eine präsenzpflichtige berufliche Tätigkeit außerhalb der Wohnung wahrnehmen und dabei unabkömmlich sind.“

Mit der Tatsache, dass Alleinerziehende im Homeoffice, im Studium, in der Ausbildung nicht berechtigt waren ihre Kinder in der Notbetreuung unterzubringen, unterschied sich das Land Baden-Württemberg von allen anderen Bundesländern in Deutschland und brachte viele Alleinerziehende in Baden-Württemberg in eine echte Notsituation.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter erhielt in den vergangenen Wochen zahlreiche Zuschriften und noch zahlreichere Anrufe von verzweifelten Alleinerziehenden, die aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung am Rande ihrer Kräfte waren.

Im Homeoffice die volle Arbeitsleistung zu bringen und gleichzeitig Kinder zu betreuen oder zu beschulen, ist für Alleinerziehende eine ultimative Zerreißprobe. Der Zugang zur Notfallbetreuung muss deshalb auch im Homeoffice bestehen.

Das Problem der fehlenden Kinderbetreuung für Alleinerziehende im Homeoffice ist mit der Ankündigung, dass bis Ende Juni die Kitas und Grundschulen wieder normal öffnen sollen, nicht gelöst. Was ist bis dahin? Wie sollen die Wochen überbrückt werden? Was ist mit den Fünft-.-Sechst- und Siebtklässlern?
Wir fordern Sie auf, die Notbetreuung schon vor der geplanten normalen Öffnung auf alle Kinder von Alleinerziehenden auszuweiten, die im Homeoffice oder im Studium und Ausbildung sind, so wie es andere Bundesländer getan haben. Sollten die Kitas und Grundschulen die normale Öffnung bis Juni nicht vollständig bewerkstelligen können, so sollten die Alleinerziehenden bei der Platzvergabe vorrangig berücksichtigt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Rösiger, Verband alleinerziehender Mütter und Väter
VAMV Landesverband Baden-Württemberg e.V.

Elsa Böld, Evangelische Frauen in Württemberg

Edith Lauble, Erzbischöfliches Seelsorgeamt, Freiburg

Johanna Rosner-Mezler, Fachbereich Ehe und Familie/Alleinerziehende
Diözese Rottenburg-Stuttgart

Eva Zimmermann, Evangelische Frauen in Baden