Berlin, 24. März 2020. Vor zwei Tagen stellte die Bundeskanzlerin die wegen der Corona-Pandemie beschlossenen Bund-Länder-Leitlinien vor. Was bedeuten die Kontaktbeschränkungen für die Gestaltung des Umgangs getrennt lebender Eltern mit ihren Kindern?
Formulierungen wie „Die Bürgerinnen und Bürger werden angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren“ funktionieren, wenn man das Bild der in einem Haushalt zusammenlebenden Familie im Kopf hat. Bei getrennt lebenden Eltern gibt es Spielraum für verschiedene Auslegungen: Dass der andere Elternteil ein „Angehöriger des eigenen Hausstands“ ist, würden die meisten spontan verneinen. Gehört er dann aber zu den Menschen, zu denen der Kontakt auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden soll? Und zählen Umgangsregelungen zum absolut nötigen Minimum?
Gemäß § 32 Infektionsschutzgesetz setzen die einzelnen Bundesländer den Bund-Länder-Beschluss durch Rechtsverordnungen oder Allgemeinverfügungen mit konkreten Geboten und Verboten um. Welche Rechte dem Gesundheitsschutz zuliebe genau eingeschränkt werden, kann deshalb von Bundesland zu Bundesland verschieden sein. Während Berlin nach § 14 Abs.3 Buchstabe d der gestern in Kraft getretenen „SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung“ die Wahrnehmung des Sorgerechts oder Umgangsrechts im jeweiligen privaten Bereich ausdrücklich zu den Gründen zählt, die das Verlassen der Wohnung erlauben, ist dies in Bayern nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020 Nr. 4 und 5 d nur zur Wahrnehmung des Sorgerechts erlaubt.
Eine generelle Antwort ist dadurch schwierig. Auch wenn es danach aussieht, dass Umgang in vielen Fällen wie gewohnt stattfinden kann – insbesondere dann, wenn Eltern nah beieinander wohnen und die Kinder sich häufig sowohl in dem einen als auch im anderen Elternhaushalt aufhalten – empfiehlt es sich, in die jeweils aktuellen Regelungen des Bundeslandes zu schauen, in dem man lebt. Diese sind zumeist auf den Internetseiten der jeweiligen Landesregierungen zu finden, werden u.U. an die aktuelle Lage angepasst und gelten nur vorübergehend.
Vielleicht liegen aufgrund der aktuellen Corona-Situation auch besondere Umstände vor, die eine Abweichung von der üblichen Umgangsregelung geboten erscheinen lassen: Kind oder Elternteil erkrankt, die üblichen Reisemöglichkeiten eingeschränkt usw. So findet derzeit beispielsweise der Service „kids on tour“ der Deutschen Bahn, der alleinreisende Kinder begleitet, aufgrund der Corona-Pandemie nicht statt. Auch für die anstehenden Osterferien müssen sich Eltern, die auf eine Urlaubsreise oder Ferienbetreuung gesetzt haben, etwas einfallen lassen. Wer sich außerstande sieht, eine vereinbarte Umgangsregelung umzusetzen, sollte sich dazu mit dem anderen Elternteil austauschen und über eine Corona-bedingte Abänderung einigen. In dieser so noch nie dagewesenen Ausnahmesituation sollten sich getrennt lebende Eltern auf ihre gemeinsame Elternverantwortung besinnen, sich gegenseitig unterstützen und im Sinne ihrer Kinder auf gute Umgangs- und Betreuungslösungen verständigen.